Ordnung für den Dienst der katholischen Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, einschließlich den Abschiebungshaftanstalten, den Jugendarrestanstalten und der Forensik der Freien Hansestadt Bremen; Quelle: Kirchlicher Anzeiger für das Bistum Hildesheim Nr. 1/2016, S. 16-18.
https://www.bistum-hildesheim.de/fileadmin/dateien/migrated/10/pdf/k/KA-2016-01_92548506320412181592.pdf
Textgleich mit der Veröffentlichung im kirchlichen Amtsblatt für die Diözese Osnabrück Nr. 2/2016, S. 37-38.
https://bistum.net/fix/files/990/artikel/doc/Amtsblatt_2_2016_web.pdf
Präambel
Die Seelsorge an Gefangenen gehört zum unverzichtbaren Auftrag der Kirche (vgl. Mt, 25,36). Sie hat ihre Wurzel in den Gedanken an die Gefangenen in der Heiligen Schrift. Im Zentrum der messianischen Erwartung, wie sie in den Gottesknechtliedern des Propheten Jesaja zum Ausdruck kommt, steht die Befreiung der Gefangenen (vgl. Jes 42,7; 49,9). In seiner Predigt in Nazareth zu Beginn seines Wirkens erklärt Jesus die Verkündigung der Entlassung der Gefangenen zum Inhalt seiner Sendung (vgl. Lk 4,19). Die Erinnerung „Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen“ gehört nach dem Hebräerbrief (Heb 13,3) zu den Grundaufgaben der christlichen Gemeinde, die selbst ein Echo bis in das Vierte Hochgebet des Römischen Messbuchs – „den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen die Freiheit“ – gefunden hat.
I. Rechtliche Grundlagen
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert einerseits Gefangenen das Recht auf freie Religionsausübung (Art. 4 GG) und andererseits den Kirchen und Religionsgemeinschaften das Recht zu Gottesdienst und Seelsorge auch in Gefängnissen (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 141 WRV). In Bremen wird die Gefängnisseelsorge durch den Art. 28 des Reichskonkordats von 1933 und den Artikel 11 des Vertrages zwischen Dem Heiligen Stuhl und der Freien Hansestadt Bremen von
2003 institutionell gewährleistet und rechtlich verankert.
II. Dienstordnung der katholischen Seelsorge
§ 1 Grundlagen
Die Seelsorge bei den Justizvollzugsanstalten einschließlich der Abschiebungshaftanstalt und der Forensik der Freien Hansestadt Bremen (im Folgenden „Justizvollzugsanstalten“ genannt) bildet einen Teil der der Katholischen Kirche obliegenden allgemeinen Seelsorge und vollzieht sich nach den Ordnungen der zuständigen Diözese. Ändern sich die Vollzugs- oder Arrestformen, so findet diese Dienstordnung entsprechende Anwendung.
Justizvollzugsseelsorger/-innen sind diejenigen, die von dem Ortsordinarius mit der Seelsorge in den Anstalten beauftragt worden sind. Sie wird hauptamtlich oder nebenamtlich von Priestern, Diakonen, Pastoralreferentinnen bzw. Pastoralreferenten, Gemeindereferentinnen bzw. Gemeindereferenten und sonstigen in der Anstaltsseelsorge tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (im Folgenden „Seelsorger/-innen“ genannt) ausgeübt. Die Fachaufsicht obliegt dem Ortsordinarius. Er hat das Recht zur regelmäßigen Visitation.
Die Seelsorger/-innen bleiben in persönlicher, arbeitsrechtlicher und seelsorgerischer Hinsicht aus- schließlich dem Ortsordinarius unterstellt, ungeachtet der Weisungsrechte des Leiters/der Leiterin der Anstalt im Rahmen der Anstaltsgewalt.
§ 2 Pflichten der Justizvollzugsseelsorger/-innen
Die Seelsorger/-innen sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die gesetzlichen sowie die sonstigen Bestimmungen und Anordnungen für den Justizvollzug zu beachten.
Die Seelsorger/-innen sind verpflichtet, sich für dieses seelsorgliche Arbeitsfeld spezifisch zu qualifizieren. Dies erfolgt durch eine Zusatzausbildung, die durch die Konferenz der katholischen Seelsorge bei den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland für alle in den Diözesen mit der Gefängnisseelsorge Beauftragten angeboten wird. (Vgl.: „Die Deutschen Bischöfe“, „Denkt an die Ge- fangenen, als wäret ihr mitgefangen“ (Hebr 13,3), Der Auftrag der Kirche im Gefängnis, Nr. 84, S. 51).
§ 3 Aufgaben der Justizvollzugsseelsorger/-innen
Im Rahmen der Justizvollzugsseelsorge haben die Seelsorger/-innen folgende Aufgaben wahrzunehmen:
Feiern regelmäßiger Gottesdienste, insbesondere an Sonn- und kirchlichen Feiertagen,
Spendung und Feier der Sakramente, Vornahme sonstiger Kasualien,
Durchführung von seelsorgerlichen Gesprächen mit den Inhaftierten, je nach Haftbedingungen der Inhaftierten a) einzeln im Büro der Seelsorge, b) einzeln in dessen Haftraum, c) einzeln oder in Gruppen im Übrigen Anstaltsbereich,
Durchführung von Sonderbesuchen in dem Seelsorgebüro in der Haftanstalt als Einzelgespräche, wenn dies aus seelsorgerlichen Gründen geboten ist,
Seelsorgerlicher Beistand und caritative Hilfe für die Gefangenen und deren Angehörige in Partner- schafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten und in Lebenskrisen,
Krankenseelsorge,
Persönlichkeitsbildung der Inhaftierten in Form von religiöser Unterweisung und sonstigen Hilfen,
Gruppenarbeit, Kurse und Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung,
Durchführung von Ausgängen und Begleitung von Ausführungen von Inhaftierten, wenn es pastoral sinnvoll ist,
Kontaktaufnahme zu den Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen der Inhaftierten und ihren Pfarr- gemeinden, sowie die Möglichkeit, entsprechende Gespräche innerhalb der Anstalt führen zu können,
Zusammenarbeit mit den übrigen im Vollzug tätigen Personen in ihren Bemühungen, dieInhaftierten zu befähigen, das Vollzugsziel zu erreichen,
Einsatz für eine sinnhafte und wertgebundene Gestaltung des Justizvollzugs,
Angebot der Seelsorge für alle im Vollzug tätigen Personen (Einzelgespräche, Gesprächstage, Trauer- begleitung),
Gewinnung, Anleitung und Begleitung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Gefängnisseelsorge in Kirche und Gesellschaft,
Mitwirkung bei Kriseninterventionen.
§ 4 Schweigepflicht der Seelsorger/-innen in der Justizvollzugsseelsorge
Justizvollzugsseelsorger/-innen im Sinne von § 1 Absatz 2 haben über alles, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger/-innen anvertraut oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Werden sie durch die Person, die sich ihnen anvertraut hat, von der Schweigepflicht entbunden, so sollen sie gleichwohl sorgsam prüfen, ob und inwieweit sie Aussagen oder Mitteilungen verantworten können.
Das Beichtgeheimnis bleibt unberührt und ist streng zu wahren und zu gewährleisten.
Soweit Kenntnisse unter das Seelsorgegeheimnis nach Absatz 1 oder unter das Beichtgeheimnis fal- len, haben die Seelsorger/-innen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO. Sie sind auch nicht verpflichtet, geplante Straftaten anzuzeigen, wenn diese Information im Rahmen der Eigenschaft als Seelsorger/-in anvertraut worden ist. Nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen diejenigen Kenntnisse der Seelsorger/-innen, die die- se im Rahmen von administrativen, caritativen oder erzieherischen Tätigkeiten erfahren. Im Zweifelsfall kommt der Gewissensentscheidung des Seelsorgers bzw. Seelsorgerin für das Zeugnisverweigerungs- recht eine entscheidende Bedeutung zu.
Über die seelsorgerliche Verschwiegenheit und das Beichtgeheimnis hinaus sind die Seelsorger/-innen im Sinne von § 1 Absatz 2 nach Maßgabe der für sie geltenden dienst- oder arbeitsrechtlichen Bestim- mungen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aussagen oder Erklärungen über Inhalte, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, sind nur mit Genehmigung des Ortsordinarius zulässig.
§ 5 In-Kraft-Treten
Diese Dienstordnung tritt am 01.05.2014 in Kraft.
BremStVollzG (Bremen) 20. Oktober 2015
§ 70 Seelsorge
Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger oder eine Seelsorgerin ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin in Verbindung zu treten.
§ 71 Religiöse Veranstaltungen
(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu Gottesdiensten oder religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers oder der Seelsorgerin der Religionsgemeinschaft.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger oder die Seelsorgerin soll vorher gehört werden.
§ 98 Seelsorger und Seelsorgerinnen
(1) Seelsorger und Seelsorgerinnen werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.
(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) Mit Zustimmung der Anstaltsleitung darf der Anstaltsseelsorger oder die Anstaltsseelsorgerin sich freier Seelsorgehelfer und freier Seelsorgehelferinnen bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.