Köln

Dienstordnung für den Dienst der katholischen Seelsorge in den Justizvollzugseinrichtungen und Unterbringungseinrichtungen für Ausreisepflichtige des Landes Nordrhein-Westfalen AV d. JM vom 7. Dezember 2023 (4561 - IV. 5)

I. Seelsorge in den Justizvollzugseinrichtungen und Unterbringungseinrichtungen für Ausreisepflichtige

1. Die Seelsorge in den Justizvollzugseinrichtungen und Unterbringungseinrichtungen für Ausreisepflichtige des Landes Nordrhein-Westfalen ist Teil der der Katholischen Kirche obliegenden allgemeinen Seelsorge und vollzieht sich nach den Ordnungen der zuständigen Diözese. Ändern sich die Vollzugs-, Unterbringungs- oder Arrest-formen, so findet diese Dienstordnung entsprechende Anwendung.

2. Sie wird hauptamtlich oder nebenamtlich von Priestern und Diakonen und sonstigen in der Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorge tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgeübt. Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgende1 sind diejenigen, die von dem Ortsordinarius mit der Seelsorge in einer Justizvollzugseinrichtung oder Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige beauftragt worden sind.

3. Die Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden werden unabhängig von dem jeweiligen Beschäftigungsumfang in das Beamtenverhältnis übernommen. Sind die dienstrechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt oder ist die Begründung eines Beamtenverhältnisses aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich, werden sie als Beschäftigte gemäß Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) tätig. In begründeten Einzelfällen werden sie im Rahmen eines zwischen dem jeweiligen Bistum und dem Land Nordrhein-Westfalen zu schließenden Gestellungsvertrages tätig.

4. Bei Beamtinnen bzw. Beamten und Beschäftigten gemäß TV-L liegt die Dienstaufsicht beim Land, die unmittelbar durch die Anstalts- bzw. Einrichtungsleitung ausgeübt wird. Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgende, die im Rahmen eines Gestellungsvertrages tätig werden, bleiben in persönlicher, arbeitsrechtlicher und seelsorgerischer Hinsicht dem Ortsordinarius unterstellt, ungeachtet der Weisungsrechte der Anstalts- bzw. Einrichtungsleitung.

5. Die Fachaufsicht obliegt dem Ortsordinarius. Er hat das Recht zur regelmäßigen Visitation.

6. Die Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die gesetzlichen sowie die sonstigen Bestimmungen und Anordnungen für den Justizvollzug und den Vollzug der Abschiebehaft zu beachten. Das gilt auch für die Anordnungen, die von der Justizvollzugsanstalt bzw. Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Bezug auf Gefangene, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachte allgemein oder im Einzelfall getroffen werden. Die zu beachtenden Bestimmungen und Anordnungen werden den Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden durch die Anstalts- bzw. Einrichtungsleitung zur Kenntnis gegeben.

7. Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis ist streng zu wahren und wird gewährleistet.

II. Aufgaben der Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorge Zur Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorge gehören im Wesentlichen folgende Aufgaben:

1. Regelmäßige Gottesdienste, insbesondere an Sonn- und kirchlichen Feiertagen und Gottesdienste gemäß besonderer Absprache,

2. Spendung und Feier der Sakramente,

3. Vornahme sonstiger Kasualien,

4. seelsorgliche Gespräche mit Gefangenen, Arrestantinnen und Arrestanten oder Untergebrachten, und zwar - einzeln in deren Haftraum, oder - einzeln oder in Gruppen im Anstalts- bzw. Einrichtungsbereich,

5. Durchführung von Sonderbesuchen aus seelsorglichen Gründen,

6. seelsorglicher Beistand und karitative Hilfe für die Gefangenen, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachten und deren Angehörige in Partnerschafts-, Eheund Familienangelegenheiten und in Lebenskrisen,

7. Krankenseelsorge,

8. religiöse Unterweisung und sonstige Hilfen zur Persönlichkeitsbildung,

9. Gruppenarbeit, Kurse und Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung,

10. Mitwirkung bei Ausführungen Gefangener, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachter,

11. Durchführung von Ausgängen Gefangener oder Arrestantinnen und Arrestanten,

12. Durchführung von und Mitwirkung an Feiern zu besonderen Gelegenheiten,

13. Kontaktaufnahme zu den Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen der Gefangenen, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachten und ihren Pfarrgemeinden,

14. Teilnahme an Dienstbesprechungen,

15. Möglichkeit der Teilnahme an Konferenzen,

16. freigestellte Mitwirkung an Vorbereitung, Erstellung und Durchführung des Vollzugsplanes oder des Erziehungsplanes, jeweils unter Beachtung und Einbeziehung der besonderen seelsorglichen Belange der Gefangenen oder Arrestantinnen und Arrestanten,

17. Äußerungen in Gnadensachen und in Verfahren nach §§ 57, 57 a, 57 b StGB der § 88 JGG, welche aus Gründen seelsorglichen Ermessens abgelehnt werden können,

18. Zusammenarbeit mit den übrigen im Justizvollzug tätigen Personen in ihren Bemühungen, die Gefangenen oder Arrestantinnen und Arrestanten zu befähigen, das Vollzugsziel zu erreichen,

19. Bereitschaft zur Seelsorge an allen in den Justizvollzugs- oder Unterbringungseinrichtungen Tätigen,

20. Mitwirkung bei der berufsethischen Aus- und Fortbildung der Anstalts- bzw. Einrichtungsbediensteten,

21. Gewinnung, Anleitung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern,

22. Mitwirkung bei der Auswahl religiöser Bücher, Schriften und sonstiger Medien,

23. Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Gefängnis- und Einrichtungsseelsorge in Kirche und Gesellschaft.

III. Rechte der Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden

1. Die Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden haben das Recht,

a) Gefangene, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachte ihres eigenen Bekenntnisses umfassend zu betreuen,

b) Gefangene, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachte anderer Konfessionen auf deren Wunsch und im Benehmen mit dem zuständigen Seelsorger/der zuständigen Seelsorgerin dieser Konfession zu betreuen,

c) Gefangene, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachte anderer Religionsgemeinschaften oder ohne religiöses Bekenntnis auf deren Wunsch zu betreuen,

d) darüber hinaus Gefangene, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachte aus seelsorglichen Gründen zu besuchen.

2. Unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen dürfen die Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden sich beauftragter pastoraler Dienste bedienen und für Gottesdienste, Sakramentenspendung sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgende von außen zuziehen.

3. Die Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden haben nach vorheriger Absprache mit der Anstalts- bzw. Einrichtungsleitung das Recht, ehrenamtlich tätige Personen zur seelsorglichen Mitarbeit heranzuziehen.

4. Für die im dienstlichen Interesse der Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorge stattfindenden Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der Kirche wird im Rahmen der staatlichen bzw. kirchlichen Bestimmungen Dienstbefreiung gewährt. Das gleiche gilt für die Teilnahme an Exerzitien der Kirche sowie an der Landes- und Bundeskonferenz der Katholischen Gefängnisseelsorge.

IV. Organisatorische Voraussetzungen für die Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorge

Die Verwaltungen der Justizvollzugseinrichtungen sowie der Unterbringungseinrichtungen für Ausreisepflichtige schaffen im Rahmen der geltenden Bestimmungen und Anordnungen die zur Dienstausübung der Einrichtungsseelsorge nötigen organisatorischen Voraussetzungen. Dazu gehören insbesondere:

1. Mitteilung aller Zugänge von Gefangenen, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachten katholischer Konfession, unter Bekanntgabe der Personalien, und namentliche Mitteilung aller Abgänge,

2. Gewährung der Einsicht in Personalakten von Gefangenen, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachten,

3. selbständiger Zugang zu den Gefangenen, Arrestantinnen und sowie Untergebrachten,

4. Aushändigung des Anstalts- bzw. Einrichtungsschlüssels,

5. Bereitstellung geeigneter Räume für Gottesdienste, Gruppen- und Einzelgespräche, Sonderbesuche und Freizeitveranstaltungen,

6. Berücksichtigung der Gottesdienstzeiten und anderer Veranstaltungen bei der Planung und Festlegung des Veranstaltungsprogramms der Einrichtung,

7. Gewährleistung der Teilnahmemöglichkeit der Gefangenen, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachten an den Gottesdiensten,

8. Ermöglichung von seelsorglichen Sonderbesuchen, auch außerhalb der festgelegten Besuchszeiten,

9. unverzügliche Information bei besonderen Ereignissen, wie beispielsweise schweren Erkrankungen, Suizidversuchen, Todesfällen, Unterbringung in besonders gesicherten Haft- bzw. Arresträumen,

10. Absprachen mit den Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden über besondere Veranstaltungen im Gottesdienstraum,

11. Bereitstellung eines geeigneten Dienstzimmers einschließlich eines Telefons mit Außenverbindung unter Ausschluss der Überwachung und Aufzeichnung der ein- und ausgehenden Gespräche und, soweit technisch möglich, der gewählten Rufnummern, um den Schutz des Seelsorgegeheimnisses zu gewährleisten,

12. Grundsätzlicher Ausschluss der inhaltlichen Postkontrolle bei eingehender und ausgehender Post von internen und externen Seelsorgenden an bzw. von Gefangene/n, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Untergebrachte/n zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses, wenn die Absenderin oder der Absender zutreffend angegeben wird bzw. die Identität der Absenderin oder des Absenders feststeht,

13. Ausschluss der Überwachung der technischen Kommunikationsmittel der Seelsorgenden einschließlich Internetüberwachung zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses,

14. Soweit Seelsorge mit technischen Kommunikationsmitteln ausgeübt wird, haben die jeweilige Einrichtung und die in der Seelsorge tätige Person dafür Sorge zu tragen, dass die Vertraulichkeit in höchstmöglichen Maß gewahrt bleibt.

15. Zuteilung von Helferinnen und Helfern aus Reihen der Gefangenen sowie Arrestantinnen und Arrestanten,

16. Bereitstellung ausreichender Mittel zur Deckung der angemessenen Sach- und Personalkosten (z. B. Portokosten), Mittel für die Tätigkeit der Organistin bzw. des Organisten und die Vertretung der Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorgenden; rechtzeitige Anmeldung des Finanzbedarfs bei der Anstalts- bzw. Einrichtungsleitung wird zwecks Vorbereitung des Haushalts vorausgesetzt.

V. Auslegung, Anwendung und Änderung dieser Dienstordnung

1. Ergeben sich Schwierigkeiten in der Auslegung oder Anwendung dieser Dienstordnung, die nicht zwischen Anstalts- bzw. Einrichtungsleitung und Anstalts- bzw. Einrichtungsseelsorge gelöst werden können, werden sich die zuständigen Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen und das jeweilige Bistum unverzüglich gegenseitig informieren und versuchen, die Schwierigkeiten einvernehmlich zu beheben.

2. Bei Meinungsverschiedenheiten stehen neben dem Vorsitzenden der Katholischen Pastoralkonferenz für die Gefängnisseelsorge in Nordrhein-Westfalen auch die Dekane für den Bereich der katholischen Gefängnisseelsorge in den Justizvollzugsanstalten des rheinischen und des westfälischen Teils des Landes Nordrhein-Westfalen als Vermittler zur Verfügung.

3. Vor Änderung dieser Dienstordnung ist das Benehmen mit den zuständigen Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen herbeizuführen.

VI. Inkrafttreten Diese Dienstordnung tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft. Zugleich tritt die Kirchliche Dienstordnung für den Dienst der katholischen Seelsorge in den Justizvollzugseinschließlich der Abschiebungshaftanstalten und der Jugendarrestanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen - AV d. JM vom 17. Juni 2003 (4561 – IV A. 5) in der Fassung vom 14. Juni 2011 - außer Kraft.


Für den rheinland-pfälzischen Anteil des Erzbistums Köln gilt:

Vereinbarung über den Dienst der katholischen Anstaltsseelsorge in den Justizvollzugs-, Jugendstraf- und Jugendarrestanstalten des Landes Rheinland Pfalz - 1996 aus: KABl Trier 140. Jg. 1996, Nr. 67 Trier