GVBl. 2023, 291.
Siebter Abschnitt
Besondere Bestimmungen für Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger
§ 46 Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger
(1) Die im Justizvollzug tätigen oder außerhalb des Justizvollzugs mit der Untersuchung, Behandlung oder Beratung von Gefangenen beauftragten
[…]
4. Seelsorgerinnen und Seelsorger,
[…]
unterliegen hinsichtlich der ihnen in der ausgeübten Funktion von Gefangenen anvertrauten oder sonst über Gefangene bekannt gewordenen Geheimnisse untereinander sowie gegenüber der Anstalt und dem für die Organisation und Verwaltung des Justizvollzugs zuständigen Ministerium der Schweigepflicht, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dies gilt entsprechend für ihre berufsmäßig tätigen Gehilfinnen und Gehilfen und die Personen, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind, nicht aber gegenüber der Berufsgeheimnisträgerin oder dem Berufsgeheimnisträger. (2) Die Anstalt weist externe Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 auf die Offenbarungspflichten und -befugnisse hin.
§ 47 Offenbarungspflicht
(1) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger haben der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter ihnen bekannte personenbezogene Daten von sich aus oder auf Befragen zu offenbaren, auch soweit sie ihnen im Rahmen des beruflichen Vertrauensverhältnisses anvertraut wurden oder sonst bekannt geworden sind, soweit dies
1. auch unter Berücksichtigung der Interessen der Gefangenen an der Geheimhaltung der personenbezogenen Daten zur Abwehr a) einer Gefahr für das Leben eines Menschen, insbesondere zur Verhütung von Selbsttötungen, b) einer erheblichen Gefahr für Körper oder Gesundheit eines Menschen oder c) der Gefahr der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
2. zur Erfüllung der Mitteilungspflicht nach § 70 Abs. 3 Satz 1 JGG in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende unbedingt erforderlich ist. Das Seelsorge- und Beichtgeheimnis bleibt unberührt.
(2) Staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie staatlich anerkannte Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die als Bedienstete im Justizvollzug tätig sind, haben der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter ihnen bekannte personenbezogene Daten von sich aus oder auf Befragen zu offenbaren, soweit dies zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist. Soweit sie im Rahmen von besonderen Behandlungsmaßnahmen tätig sind, gilt Absatz 1.
(3) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger außerhalb des Justizvollzugs können die Verpflichtung nach Absatz 1 auch gegenüber in der Anstalt beschäftigten Berufsgeheimnisträgerinnen oder Berufsgeheimnisträgern erfüllen.
Zum 15.07.2025 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe GVBl. 2014, 13
Zwölfter Abschnitt Religionsausübung
§ 80 Seelsorge
Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten.
§ 81 Religiöse Veranstaltungen
(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung, bei Untersuchungsgefangenen auch zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.
§ 82 Weltanschauungsgemeinschaften
Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 59, 80 und 81 entsprechend.
Achtzehnter Abschnitt Aufbau und Organisation der Anstalten
§ 105 Anstalten
(2) Es soll eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen für therapeutische Maßnahmen, schulische und berufliche Qualifizierung, Arbeitstraining und Arbeitstherapie sowie zur Ausübung von Arbeit vorgesehen werden. Gleiches gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge.
(3) Haft- und Funktionsräume sind zweckentsprechend auszustatten.
§ 108 Bedienstete
(2) Die Anstalt wird mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal ausgestattet. Die im Vollzug der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen tätigen Bediensteten müssen für die erzieherische Gestaltung geeignet und qualifiziert sein. Für jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen, insbesondere des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Verwaltungsdienstes sowie von Seelsorgern, Ärzten, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern vorzusehen.
§ 109 Seelsorger
(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.
(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen hinzuziehen.
Bekanntmachung des Justizministeriums vom 6. Oktober 1994 (4561-3/92) JMB1. S. 170
Zwischen dem Freistaat Thüringen, vertreten durch den Thüringer Justizminister, und dem Bistum Erfurt sowie dem Bistum Dresden-Meißen, jeweils vertreten durch den Generalvikar und handelnd mit Zustimmung des Heiligen Stuhls (im folgenden Bistum genannt), wird folgende Vereinbarung über die katholische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalt des Freistaats Thüringen geschlossen:
Artikel 1
(1) Die römisch-katholische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten wird gewährleistet. Sie ist Bestandteil der der katholischen Kirche obliegenden allgemeinen Seelsorge. Zur katholischen Seelsorge in Justizvollzugsanstalten gehören insbesondere die Feier des Gottesdienstes, die Spendung der Sakramente, die Einzel- und Gruppenseelsorge.
(2) Zu den Aufgaben des Anstaltsseelsorgers gehören darüber hinaus Zellenbesuche, die Unterweisung und sozialcaritatives Handeln einschließlich der Mitwirkung bei der sozialen Hilfe.
(3) Diese Aufgaben werden durch Anstaltsseelsorger im Haupt- und Nebenamt (Anstaltsseelsorger) wahrgenommen. Als Anstaltsseelsorger werden Priester bestellt. Zu deren Unterstützung können Diakone. Gemeindereferenten/-innen und andere Mitarbeiter/-innen mit gleichwertiger theologischer und praktischer Ausbildung zur Ausübung der Seelsorge bestellt werden. Sie üben ihre Tätigkeit in Zusammenarbeit mit dem Anstaltsseelsorger aus. Die für die Anstaltsseelsorge geltenden Bestimmungen dieser Vereinbarung gelten entsprechend auch für die Mitarbeiter.
Artikel 2
(1) Der Anstaltsseelsorger steht im Dienst des Bistums. Er steht zum Freistaat Thüringen in einem durch diesen Vertrag festgelegten Rechtsverhältnis. Die für ihn geltenden kirchenrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt.
(2) Er untersteht der Dienstaufsicht des Bischofs. Er ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Dienstes die ihn betreffenden Bestimmungen über den Strafvollzug und über die Untersuchungshaft zu beachten.
(3) Der Anstaltsseelsorger gehört im Rahmen seines Amtes zu den maßgeblich an der Behandlung der Gefangenen im Vollzug Beteiligten. Er hat für die Dauer seiner Tätigkeit innerhalb der Vollzugsanstalt die gleichen Rechte wie die Vollzugsbediensteten, u.a. das Recht auf Teilnahme an den Dienstbesprechungen und allgemeinen Beamten-Konferenzen. Der Anstaltsseelsorger hat das Recht, bei der Durchführung des Vollzugsplanes und der Freizeitgestaltung mitzuwirken. Er ist bei allen mit den kirchlichen Veranstaltungen kollidierenden Maßnahmen der Anstaltsleitung vorher zu hören.
Artikel 3
(1) Zu den Rechten des Anstaltsseelsorgers gehören die Inanspruchnahme aller Einrichtungen und die Veranlassung organisatorischer Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, seine Aufgaben gemäß Artikel 1 Abs. 1 und 2 zu erfüllen. Er hat u.a. Anspruch auf die Bereitstellung der für die Ausübung des Dienstes notwendigen Räume (geeigneter gottesdienstlicher Raum und Amtszimmer). Die Planung, Gestaltung und Einrichtung von Gottesdiensträumen in einer Justizvollzugsanstalt erfolgt durch den Freistaat im Einvernehmen mit dem Bistum, soweit Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
(2) Der Anstaltsseelsorger kann mit Zustimmung des Anstaltsleiters freiwillige Helfer, unterstützende Gruppen sowie Seelsorger und Seelsorgehelferinnen und -helfer von außen hinzuziehen.
(3) Der Anstaltsseelsorger soll auch zur Seelsorge an den Bediensteten im Justizvollzug bereit sein.
(4) Rechte, Pflichten und Aufgaben des Anstaltsseelsorgers sowie die von den Vollzugsbehörden zu schaffenden organisatorischen Voraussetzungen für die Ausübung der Anstaltsseelsorge bestimmen sich im übrigen nach einer Dienstordnung, die der Thüringer Justizminister im Einvernehmen mit dem Bistum erläßt.
Artikel 4 (1) Der hauptamtliche Anstaltsseelsorger wird vom Bistum im Benehmen mit dem Thüringer Justizminister berufen.
(2) Die ersten 6 Monate gelten als Probezeit.
(3) Der Betreffende gilt als Anstaltsseelsorger bis auf weiteres zur Verfügung gestellt, sofern nicht der Thüringer Justizminister vor Ablauf der Probezeit seine Abberufung binnen Monatsfrist vom Bistum schriftlich verlangt oder dieses den Anstaltsseelsorger seinerseits abberuft.
(4) Das Bistum kann einen hauptamtlichen Anstaltsseelsorger abberufen oder versetzen. Vor der Abberufung oder Versetzung holt es eine Stellungnahme des Thüringer Justizministers ein. Der Anstaltsseelsorger ist vor einer Entscheidung des Bistums zu hören.
(5) Im Falle einer Vakanz soll das Amt des Anstaltsseelsorgers möglichst binnen drei Monaten neu besetzt werden.
(6) In Fällen schwerwiegender Gefährdung der Sicherheit kann der Thüringer Justizminister dem Anstaltsseelsorger jede weitere Tätigkeit in der Anstalt einstweilen bis zur nötigen Klärung der Angelegenheit untersagen. Er ist verpflichtet, das Bistum unverzüglich umfassend über die Gründe zu informieren. Erscheint es nicht möglich, dem Anstaltsseelsorger die Ausübung des Dienstes wieder zu gestatten, stellt der Thüringer Justizminister - innerhalb einer angemessenen Frist, längstens jedoch nach 6 Monaten - den Antrag auf Versetzung.
Artikel 5
(1) Der hauptamtliche Anstaltsseelsorger hat Anspruch auf Urlaub und Dienstbefreiung nach den geltenden kirchlichen Vorschriften.
(2) Der Anstaltsseelsorger hat darüber hinaus das Recht, an Exerzitien und anderen Veranstaltungen, die für seinen Dienst förderlich sind, entsprechend den für kirchliche Mitarbeiter geltenden Vorschriften ohne Anrechnung auf seinen Urlaub teilzunehmen.
(3) Die Urlaubsvertretung regelt der Anstaltsseelsorger nach Abstimmung mit dem Bistum im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter; die Krankheitsvertretung regelt das Bistum im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
Artikel 6 (1) Der Freistaat erstattet dem Bistum für die Dauer der Tätigkeit des Anstaltsseelsorgers die ihm nach den kirchlichen Bestimmungen zustehende Vergütung. Der Erstattungsbetrag ist monatlich im voraus an die vom Bistum benannte Kasse zu zahlen.
(2) Der Freistaat erstattet dem Bistum für den hauptamtlichen Anstaltsseelsorger Beihilfen, Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld und Unfallfürsorge nach den für den vergleichbaren Landesbeamten geltenden Vorschriften.
(3) Das Bistum verpflichtet sich, etwaige Schadensersatzansprüche gegen Dritte geltend zu machen und dem Freistaat die nach dieser Vereinbarung gewährten Leistungen zu erstatten, soweit hierfür Ersatz verlangt wird.
Artikel 7
(1) Für den vom Bistum berufenen Anstaltsseelsorger trägt das Bistum die Versorgungslast.
(2) Der Freistaat beteiligt sich anteilig an der Versorgungslast des Bistums, wenn der Anstaltsseelsorger länger als ein Jahr ohne eine von ihm oder vom Bistum zu vertretende Unterbrechung dem Freistaat zur Verfügung gestellt ist, und zwar vom Tage des Dienstantritts an. Die Beteiligung an der Versorgungslast erfolgt durch die Zahlung einer Pauschalsumme in Höhe von 25 v. H. der gemäß Artikel 6 zu erstattenden Dienstbezüge.
Artikel 8
(1) Für den Anstaltsseelsorger im Nebenamt schließt das Bistum mit dem Thüringer Justizminister einen Vertrag über die Ausübung der Seelsorge ab. Auf ihn finden die Vorschriften dieses Vertrages außer Artikel 5 bis 7 entsprechende Anwendung.
(2) Die Entschädigung für den Anstaltsseelsorger im Nebenamt wird besonders geregelt.
Artikel 9
Das Bistum ist berechtigt, Visitationen bezüglich der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten durchzuführen. Bei Besichtigung von Anstaltseinrichtungen wird das Justizministerium rechtzeitig unterrichtet und kann einen Vertreter zur Teilnahme entsenden.
Artikel 10
Der Thüringer Justizminister lädt jährlich einmal zu einer gemeinsamen Konferenz der Anstaltsseelsorger zusammen mit Vertretern der Kirchen über Fragen der Anstaltsseelsorge und des Justizvollzuges ein.
Artikel 11
(1) Die Anstaltsseelsorger haben das Recht, auf dem Dienstweg über das Bistum beim Thüringer Justizminister Beschwerde zu führen, wenn Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Anstaltsleitung auftreten, die nicht anderweitig behoben werden können.
(2) Der Thüringer Justizminister verpflichtet sich, das Bistum vor einer Entscheidung über die Beschwerde zu hören.
Artikel 12
(1) Der Thüringer Justizminister wird Beschwerden der Anstaltsleitung über die Tätigkeit eines Anstaltsseelsorgers unverzüglich an das Bistum weiterleiten.
(2) Das Bistum bemüht sich, solche Beschwerden im Gespräch mit dem Anstaltsseelsorger im Beisein eines Vertreters des Justizministeriums zu klären. Das Ergebnis ist in einem Protokoll festzuhalten.
(3) Wird bei diesem Gespräch keine Einigung erzielt und ist eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den in der Anstalt Tätigen und dem Anstaltsseelsorger nicht mehr gegeben, gilt Artikel 4 Absatz 6 entsprechend.
Artikel 13
Die Vertragschließenden werden sich bemühen, eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieser Vereinbarung einvernehmlich zu beseitigen.
Quellen: KABl EF 3 (1995), 4-7; Pfarramtsblatt 68 (1995), 174-178
ThürJVollzGB (Thüringen) 27. Februar 2014
§ 80 Seelsorge
Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten.
§ 81 Religiöse Veranstaltungen
(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung, bei Untersuchungsgefangenen auch zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.
§ 109 Seelsorger
(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.
(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen hinzuziehen.
———————————————————————————————————————–
JMB1. für Thüringen S. 4.
1 Seelsorge in Justizvollzugsanstalten
1.1 Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Freistaats Thüringen bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge. Sie wird von hauptamtlichen und nebenamtlichen Anstaltsseelsorgern ausgeübt (im folgenden Anstaltsseelsorger genannt).
1.2 Die Anstaltsseelsorge vollzieht sich nach den Ordnungen der zuständigen evangelischen Kirchen oder der Bistümer.
1.3 Die Anstaltsseelsorger arbeiten mit den anderen im Vollzug Tätigen im Rahmen ihrer seelsorgerlichen Verpflichtungen zusammen. Sie sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die sie betreffenden Bestimmungen über den Justizvollzug und über die Untersuchungshaft zu beachten. Die zu beachtenden Bestimmungen sind den Anstaltsseelsorgern zur Kenntnis zu geben.
2 Aufgaben der Anstaltsseelsorger
Zur Anstaltsseelsorge gehören im wesentlichen folgende Aufgaben, die vom Anstaltsseelsorger im Rahmen seiner Möglichkeiten wahrgenommen werden können:
2.1 Regelmäßige Gottesdienste an Sonntagen und kirchlichen Feiertagen und Gottesdiensten gemäß besonderer Absprache.
2.2 Abnahme der Beichte und Spendung, Verwaltung der Sakramente.
2.3 Vornahme sonstiger Amtshandlungen.
2.4 Seelsorgerliche Gespräche mit den Gefangenen:
a) einzeln auf deren Zellen,
b) einzeln oder in Gruppen im übrigen Anstaltsbereich.
2.5 Seelsorgerlicher Beistand für die Gefangenen und deren Angehörige in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten.
2.6 Krankenseelsorge.
2.7 Kontaktaufnahme zu den Angehörigen der Gefangenen und ihren Kirchengemeinden.
2.8 Begleitung von Besuchen Dritter aus besonderem seelsorgerlichen Anlaß mit Zustimmung der Anstaltsleitung; sie können nur aus schwerwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung verweigert werden.
2.9 Religiöse Unterweisung und sonstige Hilfen zur Persönlichkeitsbildung, insbesondere durch Gruppenarbeit, Kurse und Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung.
2.10 Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre„ Familien.
2.11 Mitwirkung bei der Anschaffung religiöser Bücher und Schriften.
2.12 Beratung bei der Anschaffung von Büchern für die Gefangenenbücherei.
2.13 Teilnahme an Konferenzen und Dienstbesprechungen.
2.14 Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung der Gefangenen und der Aufstellung und Durchführung des Vollzugsplanes.
2.15 Bereitschaft zur Seelsorge an Mitarbeitern des Strafvollzugs, unbeschadet der Zuständigkeit des Gemeindepfarrers.
2.16 Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Anstaltsbediensteten.
2.17 Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche; bei Presseverlautbarungen nur mit Zustimmung des Anstaltsleiters.
2.18 Möglichkeit zur Äußerung in Gnadensachen sowie in Verfahren nach §§ 57. 57a StGB und
2.19 Mitwirkung und Beratung bei der Resozialisierung.
3 Organisatorische Voraussetzungen für die Anstaltsseelsorge
3.1 Die Justizverwaltung schafft die zur Dienstausübung der Anstaltsseelsorge nötigen organisatorischen Voraussetzungen. Dazu gehören im Rahmen der geltenden Bestimmungen:
3.1.1 Mitteilung über alle Zu- und Abgänge der Gefangenen, der Personalien der zu- und abgehenden Gefangenen des eigenen Bekenntnisses und Einsicht in die Personalakten der Gefangenen,
3.1.2 Selbständiger Zugang zu den Gefangenen unter Aushändigung eines Anstaltsschlüssels,
3.1.3 Ermöglichung des Kontaktes zwischen Gefangenen und Anstaltsseelsorgern, von Seelsorgegesprächen in den Zellen und in Gruppenräumen sowie von Besuchen im Dienstzimmer der Anstaltsseelsorger,
3.1.4 Unverzügliche Information bei besonderen Vorkommnissen (z.B. Erkrankungen, Suizidversuchen, Todesfällen, Einlieferung in die Beruhigungs- bzw. Arrestzelle,
3.1.5 Berücksichtigung der Gottesdienste und anderer Veranstaltungen bei der Festlegung des Veranstaltungsprogramms der Anstalt sowie Gewährleistung der Teilnahme der Gefangenen,
3.1.6 Zuteilung geeigneter Räume für die Veranstaltungen der Anstaltsseelsorge; Nutzungsänderungen sind nur im Benehmen mit den Anstaltsseelsorgern zulässig,
3.1.7 Bereitstellung eines geeigneten Dienstzimmers einschließlich eines Telefons mit Außenverbindung,
3.1.8 Ungehinderte Führung telefonischer Dienstgespräche; Ausschluß der Speicherung von Telefonnummern zum Schutze des Seelsorgegeheimnisses,
3.1.9 Erledigung der Schreib- und Verwaltungsarbeit der Anstaltsseelsorger durch die Verwaltung,
3.1.10 Zuteilung von Helfern aus den Reihen der Gefangenen und
3.1.11 Bereitstellung ausreichender Mittel zur Deckung des angemessenen Sachbedarfs, die die Anstaltsseelsorger rechtzeitig zur Vorbereitung des Haushalts anmelden.
4 Rechte und Pflichten der Anstaltsseelsorger
4.1 Die Anstaltsseelsorger können auf Wunsch auch Gefangene betreuen, die nicht ihrer Konfession angehören.
4.2 Die Anstaltsseelsorger können mit ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammenarbeiten sowie mit Zustimmung des Anstaltsleiters freiwillige Helfer und mithelfende Gruppen zur Unterstützung ihrer Arbeit heranziehen.
4.3 Die Urlaubsvertretung regeln die Anstaltsseelsorger nach Abstimmung mit der zuständigen Kirchenbehörde im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter. Die Krankheitsvertretung regelt die zuständige Kirchenbehörde im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
4.4 Die hauptamtlichen und nebenamtlichen Anstaltsseelsorger setzen ihre Dienstzeit im Benehmen mit dem Anstaltsleiter fest.
4.5 Die hauptamtlichen Anstaltsseelsorger haben Anspruch auf Urlaub und Dienstbefreiung nach geltenden kirchlichen Vorschriften. Die Anstaltsseelsorger haben darüber hinaus das Recht, an Exerzitien bzw. Pfarrer-Rüstzeiten/Pastoralkollegs und anderen Veranstaltungen, die für ihren Dienst förderlich sind, entsprechend den geltenden kirchlichen Vorschriften ohne Anrechnung auf den Urlaub teilzunehmen. Urlaub und Dienstbefreiung erteilt die zuständige Kirchenbehörde im Benehmen mit dem Anstaltsleiter.
5 Auslegung und Anwendung der Dienstordnung
5.1 Bei Schwierigkeiten in der Anwendung oder Auslegung dieser Dienstordnung, die nicht zwischen Anstaltsleiter und Anstaltsseelsorger behoben werden können, werden sich der Thüringer Justizminister, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen, die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, das Bistum Erfurt und das Bistum Dresden-Meißen unverzüglich gegenseitig informieren und versuchen, Schwierigkeiten einvernehmlich zu beseitigen.
5.2 Die Änderung dieser Dienstordnung ist nur in gegenseitigem Einvernehmen zwischen dem Thüringer Justizminister, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, dem Bistum Erfurt und dem Bistum Dresden-Meißen möglich.
6 Inkrafttreten
Diese Dienstordnung tritt mit Wirkung vom 1. November 1994 in Kraft.
In Vertretung Dr. Gasser