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niedersachen

Niedersachsen

Ordnung für den Dienst der katholischen Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, einschließlich den Abschiebungshaftanstalten, den Jugendarrestanstalten und der Forensik des Landes Niedersachsen; Quelle: Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Münster Nr. 23/2012, S. 323-325.

https://www.bistum-muenster.de/fileadmin/user_upload/Website/Downloads/Aktuelles/Publikationen/Kirchliches-Amtsblatt/2012/2012-12-amtsblatt-nr-23.pdf

Präambel

Die Seelsorge an Gefangenen gehört zum unverzichtbaren Auftrag der Kirche (vgl. Mt, 25,36). Sie hat ihre Wurzel in den Gedanken an die Gefangenen in der Heiligen Schrift. Im Zentrum der messianischen Erwartung, wie sie in den Gottesknechtliedern des Propheten Jesaja zum Ausdruck kommt, steht die Befreiung der Gefangenen (vgl. Jes 42,7; 49,9). In seiner Predigt in Nazareth zu Beginn seines Wirkens erklärt Jesus die Verkündigung der Entlassung der Gefangenen zum Inhalt seiner Sendung (vgl. Lk 4,19). Die Erinnerung „Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen“ gehört nach dem Hebräerbrief (Heb 13,3) zu den Grundaufgaben der christlichen Gemeinde, die selbst ein Echo bis in das Vierte Hochgebet des Römischen Messbuchs – „den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen die Freiheit“ – gefunden hat.

I. Rechtliche Grundlagen

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch- land garantiert einerseits Gefangenen das Recht auf freie Religionsausübung (Art. 4 GG) und anderer- seits den Kirchen und Religionsgemeinschaften das Recht zu Gottesdienst und Seelsorge auch in Ge- fängnissen (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 141 WRV). In Niedersachsen wird die Gefängnisseelsorge durch den Art. 28 des Reichskonkordats von 1933 und den Artikel 11 des Niedersachsenkonkordates von 1965 institutionell gewährleistet und rechtlich verankert

II. Dienstordnung der katholischen Seelsorge

§ 1 Grundlagen

  1. Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, einschließlich den Abschiebungshaftanstalten, den Jugendarrestanstalten und der Forensik des Landes Niedersachsen (im Folgenden „Justizvollzugsanstalten“ genannt) bildet einen Teil der der Katholischen Kirche obliegenden allgemeinen Seelsorge und vollzieht sich nach den Ordnungen der zuständigen Diözese. Ändern sich die Vollzugs- oder Arrestformen, so findet diese Dienstordnung entsprechende Anwendung.
  2. Justizvollzugsseelsorger sind diejenigen, die von dem Ortsordinarius mit der Seelsorge in den Anstalten beauftragt worden sind. Sie wird hauptamtlich oder nebenamtlich von Priestern, Diakonen, Pastoralreferentinnen bzw. Pastoralreferenten, Gemeindereferentinnen bzw. Gemeindereferenten und sonstigen in der An- staltsseelsorge tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (im Folgenden „Seelsorger/-in- nen“ genannt) ausgeübt. Die Fachaufsicht obliegt dem Ortsordinarius. Er hat das Recht zur regelmäßigen Visitation.
  3. Die Seelsorger/-innen werden in der Regel im Rahmen eines Gestellungsvertrages tätig. Sie bleiben in persönlicher, arbeitsrechtlicher und seelsorgerischer Hinsicht dem Ortsordinarius unterstellt, ungeachtet der Weisungsrechte des Leiters/der Leiterin der Anstalt. In Ausnahmefällen können die Seelsorger/-innen im Einvernehmen mit dem Ortsordinarius in das Beamtenverhältnis übernommen werden.

§ 2 Pflichten der Justizvollzugsseelsorger/-innen

  1. Die Seelsorger/-innen sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die gesetzlichen sowie die sonstigen Bestimmungen und Anordnungen für den Justizvollzug zu beachten.
  2. Die Seelsorger/-innen sind verpflichtet, sich für dieses seelsorgliche Arbeitsfeld spezifisch zu qualifizieren. Dies erfolgt durch eine Zusatzausbildung, die durch die Konferenz der katholischen Seelsorge bei den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland für alle in den Diözesen mit der Gefängnisseelsorge Beauftragten angeboten wird. (Vgl.: „Die Deutschen Bischöfe“, „Denkt an die Gefange- nen, als wäret ihr mitgefangen“ (Hebr 13,3), Der Auftrag der Kirche im Gefängnis, Nr. 84, S. 51).

§ 3 Aufgaben der Justizvollzugsseelsorger/-innen

  1. Feiern regelmäßiger Gottesdienste, insbesondere an Sonn- und kirchlichen Feiertagen,
  2. Spendung und Feier der Sakramente, Vornahme sonstiger Kasualien,
  3. Durchführung von seelsorgerlichen Gesprächen mit den Inhaftierten, je nach Haftbedingungen der Inhaftierten a) einzeln im Büro der Seelsorge, b) einzeln in dessen Haftraum, c) einzeln oder in Gruppen im übrigen Anstaltsbereich,
  4. Durchführung von Sonderbesuchen in dem Seelsorgebüro in der Haftanstalt als Einzelge- spräche, wenn dies aus seelsorgerlichen Grün- den geboten ist,
  5. Seelsorgerlicher Beistand und caritative Hilfe für die Gefangenen und deren Angehörige in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegen- heiten und in Lebenskrisen,
  6. Krankenseelsorge,
  7. Persönlichkeitsbildung der Inhaftierten in Form von religiöser Unterweisung und sonstigen Hilfen,
  8. Gruppenarbeit, Kurse und Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung,
  9. Durchführung von Ausgängen und Begleitung von Ausführungen von Inhaftierten, wenn es pastoral sinnvoll ist,
  10. Kontaktaufnahme zu den Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen der Inhaftierten und ihren Pfarrgemeinden, sowie die Möglichkeit, entsprechende Gespräche innerhalb der Anstalt führen zu können,
  11. Zusammenarbeit mit den übrigen im Vollzug tätigen Personen in ihren Bemühungen, die Inhaftierten zu befähigen, das Vollzugsziel zu erreichen,
  12. Einsatz für eine sinnhafte und wertgebundene Gestaltung des Justizvollzugs,
  13. Angebot der Seelsorge für alle im Vollzug tätigen Personen (Einzelgespräche, Gesprächstage, Trauerbegleitung),
  14. Gewinnung, Anleitung und Begleitung von eh- renamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern,
  15. Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Gefängnisseelsorge in Kirche und Gesellschaft,
  16. Mitwirkung bei Kriseninterventionen.

§ 4 Schweigepflicht der Seelsorger/-innen in der Justizvollzugsseelsorge

  1. Justizvollzugsseelsorger/-innen im Sinne von § 1 Absatz 2 haben über alles, was ihnen in ihre Eigenschaft als Seelsorger/-innen anvertraut oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Wer- den sie durch die Person, die sich ihnen anvertraut hat, von der Schweigepflicht entbunden, so sollen sie gleichwohl sorgsam prüfen, ob und inwieweit sie Aussagen oder Mitteilungen verantworten können.
  2. Das Beichtgeheimnis bleibt unberührt und ist streng zu wahren und zu gewährleisten.
  3. Soweit Kenntnisse unter das Seelsorgegeheimnis nach Absatz 1 oder unter das Beichtgeheimnis fallen, haben die Seelsorger/-innen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO. Sie sind auch nicht verpflichtet, geplante Straftaten anzuzeigen, wenn diese Information im Rahmen der Eigenschaft als Seelsorger/-in anvertraut worden ist. Nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen diejenigen Kenntnisse der Seelsorger/ -innen, die diese im Rahmen von administrativen, caritativen oder erzieherischen Tätigkeiten erfahren. Im Zweifelsfall kommt der Gewissensentscheidung des Seelsorgers bzw. Seelsorgerin für das Zeugnisverweigerungsrecht eine entscheidende Bedeutung zu.
  4. Über die seelsorgerliche Verschwiegenheit und das Beichtgeheimnis hinaus sind die Seelsorger/-innen im Sinne von § 1 Absatz 2 nach Maßgabe der für sie geltenden dienst- oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aussagen oder Erklärungen über Inhalte, die der Verschwie- genheitspflicht unterliegen, sind nur mit Geneh- migung des Ortsordinarius zulässig.

§ 5 In-Kraft-Treten

Diese Dienstordnung tritt am 01.11.2012 in Kraft.

NJVollzG (Niedersachsen) 15.06.2017

§ 53 Seelsorge

(1) Der oder dem Gefangenen darf eine religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf ihren oder seinen Wunsch ist ihr oder ihm zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Die oder der Gefangene darf grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihr oder ihm nur bei grobem Missbrauch entzogen werden; auf Verlangen der oder des Gefangenen soll ihre oder seine Seelsorgerin oder ihr oder sein Seelsorger über den Entzug unterrichtet werden.

(3) Der oder dem Gefangenen sind sonstige Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen, soweit nicht überwiegende Gründe der Sicherheit der Anstalt entgegenstehen.

§ 54 Religiöse Veranstaltungen

(1) Die oder der Gefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres oder seines Bekenntnisses in der Anstalt teilzunehmen.

(2) Die oder der Gefangene wird zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt.

(3) Die oder der Gefangene kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 179 Seelsorge

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung der Vollzugsbehörde dürfen die Anstaltsseelsorgerinnen und Anstaltsseelsorger freie Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgerinnen und Seelsorger von außen zuziehen.

niedersachen.txt · Zuletzt geändert: 2023/10/04 17:50 von bjohan02